Grenze meistens zu

Derzeit (Anfang Juni 2015) ist ein Freund in Suruc, um dort zu helfen. Den folgenden Beitrag hat er für uns geschickt.

(L) Bericht Kobane, Grenze:

Die gegenwärtige Grenzsituation ist unverändert. Lastwagen mit Hilfsgütern haben nur beschränkt Durchfahrtserlaubnis und müssen in den meisten Fällen vor der Grenze warten. Die gilt besonders für Transporter mit ausländischen Hilfstgütern. Im Flüchtlingslagern Kolinşe, nahe der Stadt Suruçverlassen die Menschen seit einigen Wochen, seit ihnen die Rückkehr nach Syrien gestattet wurde, ihre Zelte und machen sich auf den weg Richtung Kobane. Dort wurde unmittelbar neben der Stadt ein Lager für die Menschen aufgebaut, da die meisten Gebäude in Kobane selbst immer noch zerstört und unbewohnbar sind. Mittlerweile sind 100.000 nach Kobane zurückgekehrt. Die Arbeiten in der Stadt gehen schleppend voran. Es fehlt an Baumaschinen, Material und an fachkundiger Unterstützung. Gleich verhält es sich bei der Wasser- und Stromversorgung. Diese konnten teilweise wieder hergestellt werden, jedoch fehlt es immer wieder an Ersatzteilen, sodass es zu regelmäßigen Ausfällen kommt.

Eine große Gefahr für die Bevölkerung sind die großen Mengen an Munitionsteilen, bei denen es sich im wesentlichen um Blindgänger und Sprengfallen handelt. Dies geht aus einem aktuellen Bericht von Handicap International hervor, der Ende Mai veröffentlicht wurde.

Ein zweiter Punkt sind die vielen ungeborgenen Leichen, die sich noch unter den Trümmern in der ganz Stadt befinden. Dies birgt, mit den aufkommenden Sommermonaten und damit verbundenen hohen Temperaturen, eine hohe Seuchengefahr, welcher nur mit Hilfen von schweren Bergungsmaschinen Abhilfe geschaffen werden kann.

Geschuldet ist all dies der unzumutbaren Grenzpolitik der türkischen Regierung in Kobane sowie den anderen beiden Kanton Afrin und Cizire. Gegenwärtig versuchen die kurdischen Einheiten der YPG und YPJ eine Verbindung zwischen den Kantonen zu erkämpfen, was jedoch mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist. Kobane ist mit seinem westlichen Nachbarkanton Afrin durch den Euphrat getrennt.Zudem kommt es zu Kämpfen gegen die Milizen der Al Nusra sowie dem IS.

Auch im Osten treffen die kurdischen Einheiten auf heftigen Widerstand. Von der grenznahen irakischen Millionenstadt Mossul aus bringt der IS schwere Waffen in Stellung um das Verbinden der Kantone Kobane und Cizire zu verhindern.

Da die Grenzübergange zur Türkei in allen Kantonen von der türkischen Regierung versperrt sind, würde ein Erfolg der kurdischen Einheiten die Situation ein wenig verbessern aber keineswegs über die entscheidenden Probleme hinweghelfen. Dies ist ausschließlich durch das Öffnen der Grenze möglich, was absolute Priorität haben muss.

Unglücklicherweise spielt Erdoĝan auf Zeit. Am 7. Juni diesen Jahres stehen die Wahlen für das türkische Parlament an und die türkische Regierung will keine Fehler riskieren und wichtige Stimmen verlieren und schiebt somit eine Entscheidung auf nach den Wahlen.


Gegenwärtige Situation zu den Parlamentswahlen:

Es sind die ersten Wahlen in denen sich mit der HDP eine Partei geschlossen als Minderheitenpartei zur Wahl stellt. Aufgrund einer 10%-Hürde, die erreicht werden muss, um als Partei ins Parlament einziehen zu dürfen, haben sich zu den letzten Wahlen die Kandidaten lediglich als Parteilos aufstellen lassen. Nun ist die Situation eine andere und es steht viel auf dem Spiel. Sollte die HDP mit mehr als 10% aus der Wahl hervorgehen und vor Allem im Osten stark vertreten sein, könnte sie aus dieser starken Position wesentlich zur Öffnung der Grenzen beitragen. Zudem würde es eine erhebliche Schwächung für die AKP bedeuten. Diese ist sehr starken parteiinternen Spannung ausgesetzt und könnte damit große Probleme bekommen.

Sollte es der HDP hingegen nicht gelingen die nötigen 10% zu erlangen, würde neben der kurdischen Bevölkerung keine andere Minderheit im Parlament vertreten sein, was prozentual zu einer erheblichen Stärkung der AKP Regierung führen und diese mit weitreichenden Machtbefugnissen ausstatten würde, bis hin zu Verfassungsändernden Maßnahmen, welche von Erdogan und seiner AK Partei geplant sind. Zudem wird bereits für diesen Fall inoffiziell über ein militärisches Vorgehen gegen die kurdische Bewegung gesprochen.